Die Hand der Finsternis
Simbabwe
Teil 1
Still fluchte Tsano Khaya vor sich hin. In der drückenden Hitze Bulawayos brachte ihn schon das Atmen so sehr ins Schwitzen, dass er sich immer wieder mit dem Handrücken über die feuchte Stirn wischen musste.
Wenn es doch nur regnen würde. Eine Abkühlung dieser verfluchten Hitze. Inmitten der Horden von Menschen. Er hasste das Fußvolk. Sie deprimierten ihn, machten den Tag unter ihnen für ihn zur Mammutaufgabe.
Zur Hitze kam, dass Tsanos Körperbau eher an einen Elefanten, als an einen Mann erinnerte. Wie sein Bauch bei jedem Schritt auf den Asphalt des Gehwegs wankt, seine Wangen zittern. Und als wäre das allein nicht schon genug, schien es, als würden seine Beine nicht zum Körper gehören, als sei er eine Mischung aus Elefant und Storch. So schleppte er sich voran, auf Stelzen gehend.
Er kann es nicht ausstehen, wie die Menschen ihn anstarren. Nie sahen sie in sein Gesicht, starrten nur auf seinen massigen Körper und zeigten dabei die komplette Palette an Gesichtsausdrücken. Von Belustigung über Verwunderung, Abneigung bis hin zu tiefem Ekel.
Und dann seine chronische Angst vor Männern, mit wohldefinierten Körpern, vor ihrem Spott, der aus ihren Gesichtern springt. Ein Teil dieses Fußvolkes zeigt gar öffentlich mit dem Finger auf ihn, verspottet ihn mit lauter Stimme, als wüssten sie nicht, wer er war. Es tat weh. Tut jeden Tag erneut weh, auch heute, als er sich an einem der Verkäufer im Supermarkt vorbei schiebt. Mit viel zu lauter Stimme sagte der zu einem anderen: „Jesus H. Christus! Das muss der Stöpsel sein, der seit Tagen die Kanalisationen der Townships blockiert!“ Die Bemerkung war nicht nur von ihm gehört worden, denn sofort breitete sich hysterisches Gelächter im Verkaufsraum aus.
Armer Dummkopf, dachte Tsano. Weiß der denn nicht, dass ich ein Millionär bin und er nur Fußvolk? Dass ich sie alle hier für mich arbeiten lassen könnte und sie tun lassen könnte, was ich will?
Tsano trat in den Verkaufsraum des K.O. Stores und fühlte sich, als träte er in eine kühle Höhle. Ein erleichtertes Schnaufen entfuhr ihm, als die Luft der Klimaanlage seine Haut traf. Eine Woge der Erleichterung durchfuhr ihn, wie den Wüstenwanderer, der die Oase erblickt. Wie schade, dass er hier jedoch keine Bar vorfand, um seinen riesigen Durst zu stillen. Umständlich manövrierte er seinen Körper hinter die Reihen von Kleiderständern, bis hin zur Theke, an der die Kosmetikartikel verkauft wurden. Die anderen Kunden sprangen zur Seite, als hätten sie Angst, er könnte sie überrollen.
Doch das ignorierte er, denn an der Theke wartete die wunderschöne, junge Frau mit ihrem wohlgeformten, in die neueste Mode gekleideten Körper, als warte sie nur auf ihn. Sie zog die Bleistiftstrich-dünnen Augenbrauen hoch, als sie Tsano erblickte. Der legte eine Zeitschrift vor sie auf die gläserne Theke und zeigte mit dem runden Finger auf ein kleines After-Shave Fläschchen, das hinter ihr im Regal stand. Dabei kam die goldene Uhr zum Vorschein, die perfekt zur massiven Goldkette passte, die um seinen ebenso massiven Hals hing. Seinen Körper hatte er in ein auffällig bedrucktes Hemd gezwängt, das über die locker sitzenden, khaki-farbende Leinenhose hing. Die Ledersandalen komplettierten sein Outfit.
„Wie viel kostet Dracho?“ sagte er mit ausdruckslosem Pokerface.
„Zehntausend Dollar, mein Herr.“ Die junge Frau machte keine Anstalten, sich umzudrehen um nach dem Preis auf dem Fläschchen zu schauen. Sie war etwa im selben Alter wie Tsanos einzige Tochter, die im Moment in Frankreich ihren Schulabschluss machte.
„Zehntausend Dollar für ein Fläschchen mit duftendem Wasser!“, schnaubte Tsano, bevor er ganz plötzlich die Theke verließ und sich, einem Panzer gleich, einen Weg durch den Pulk der Einkaufenden bahnte.
Er steuert auf den Ausgang zu, die Augen auf das grelle Licht der Sonne hinter der Tür gerichtet. Höhnisch grinste er im Vorbeigehen den Security-Mann an, der, unter der Spitze seines Caps hervorschauend, vom Ausgang her belustigt seinen Körper beäugte.
„Mantshingelani,“ sagte Tsano spottend in leisem Ton durch die Mundwinkel, als er an ihm vorbei ging.
„Sdudla!“ erwiderte der augenblicklich.
Zizi, die Verkäuferin an der Kosmetiktheke, linste verstohlen unter ihren falschen Wimpern hervor um sich im Geschäft umzusehen. Niemand sah in ihre Richtung. Sie nahm die Zeitschrift ansich, die Tsano auf der Theke zurück gelassen hatte und rollte sie in der Hand zusammen. Jetzt verließ sie die Theke und steuerte auf die Damentoilette zu, wo sie die Zeitschrift öffnete. Zwischen den Seiten fand sie, wonach sie gesucht hatte. Einen Umschlag, gefüllt mit einem Packen 500 Dollar Scheine. 15 000 in bar, perfekt. Außerdem fand sie eine Notiz, die sie kurz überflog: „Hi Zizi, meine wunderschöne tipoti. Ich vermisse dich wie den Zucker im Tee. Bitte komm heute Nacht zu Big Daddy und kraule ihm seinen Big Tummy. Ich warte schon sehnsüchtig auf dich, im romantischen Schein der roten Lampe. Über und über küss ich dich! ICH.“
Sehr gut. Sie verstaute das Geld in ihrem BH und verließ die Toilette, nicht ohne ihr Spiegelbild im Vorbeigehen zu kontrollieren.
Auf dem Parkplatz des Hillside Shopping Center manövrierte Tsano sein massiges Gestell zwischen den parkenden Autos hindurch, bis er seinen C-Klasse Mercedes erreicht hatte. Dort drückte sich ein zerlumpt aussehendes Straßenkind, mit wunden roten Lippen um seinen Luxusschlitten herum. Seine blutunterlaufenen Augen sahen aus, als sei er betäubt, seine Bewegungen sprachen dagegen. Er schwirrte um das Auto wie eine Fliege um einen Teller weißen Maisbreis. Tsano warf im eine Münze zu. Der Junge fing sie routiniert in der Luft auf, warf sie in die Höhe, fing sie wieder, drückte einen Kuss auf das Metall und steckte es ein.
Tsano hatte gerade das Auto geöffnet, als er plötzlich eine schwere Hand von hinten auf der Schulter spürte.
(…) Teil zwei folgt am 02. Dezember 2016
(c) Christopher Mlalazi / übersetzt von Sophie Sumburane
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